Der Deutsche Orden hatte bereits in seiner Frühzeit weltliche Personen als Mitarbeiter und Wohltäter. Die Existenz des Familiaren-Institutes ist bereits in der Bulle des Papstes Honorius III. vom 15. Dezember 1220 nachweisbar und ist seit 1244 im Kapitel 32 der Ordensregel aufgenommen. Im Gegensatz zu den geistlichen Ordensmitgliedern lebten die Familiaren ohne mönchische Verpflichtung als Laien oder Weltpriester außerhalb der Ordensgemeinschaft, jedoch in enger Verbindung und stetiger Mitarbeit zum Gesamtorden, als Glied der Ordensfamilie.
Im Mittelalter war die Bindung an den Orden sehr eng und die Ordensregel bestimmte, dass „…die Aufgenommenen sollen in ihrer Person und in ihrem Besitz unter Leitung der Brüder stehen und ihr Wandel hinfort ziemend ehrbar zu sein(hat), sodass sie nicht bloß öffentliche Sünden vermeiden, sondern auch unerlaubte Geschäfte oder solchen Erwerb nicht ausüben. Sie sollen Kleider von geistlichen Farben tragen, aber nicht mit dem ganzen Kreuz (Tau-Kreuz). Wenn sie verheiratet sind soll nach dem Tod des einen Ehegatten die Hälfte der Güter dem Orden zufallen, die andere Hälfte dem überlebenden Teil zum Lebensunterhalt verbleiben. Nach dem Tod des zweiten Ehegatten soll dem Orden alles zufallen“. Diese Bestimmungen der totalen Vermögensübertragungen wurden später gemildert und entfielen bei der Neufassung der Ordensregel im Zeitalter der Reformation. Die Familiarengemeinschaft wurde eine durch Stiftungen ordensunterstützende Gebetsgemeinschaft. Im 19. Jahrhundert als der militärische Auftrag zur Glaubensverteidigung nach dem letzten Türkenkrieg obsolet geworden war und der Deutsche Ritterorden nach seiner Reform von 1840 sich wieder auf seinen ursprünglichen karitativen Auftrag sowie dem Hospitals- und Sanitätsdienst ausrichtete, wurden gleichzeitig mit dem Schwesterinstitut auch die Familiaren als Helfer und Wohltäter wiederbelebt. Nach Übergang zum klerikalen Orden ist in der Ordensregel von 1929 das Familiaren-Institut ein Ordenszweig der dem Hochmeister direkt unterstellt und den Prioren/Landkomturen hinsichtlich der Aufgaben zugeordnet ist.
Am 22. September 1965 unterzeichnete der Präfekt der Religionskongregation Kardinal Antoniutti im Namen von Papst Paul VI. das „Statut der Familiaren des Deutschen Ordens“, womit erstmals in der Geschichte des Ordens das Familiareninstitut mit päpstlicher Autorität als eigenes Institut errichtet und dem Deutschen Orden angegliedert wurde. Die Übernahme des Apostolischen Statutes in die Ordensregeln wurde am 12 Mai 1966 beschlossen. Die Errichtung der Ballei Österreich erfolgte am 24. November 1966 und erstreckt sich derzeit auf den Bereich der Bischofskonferenz Österreich ohne die Diözesen Innsbruck und Feldkirch.
Die ersten Funktionäre der Ballei Österreich werden im Catalogus Ordinis Teutonici 1965 (Stand 15.02.1965) erwähnt, der erste Ballei-Vorstand wird im Catalogus Ordinis Teutonici 1967 (Stand 01.02.1967) angegeben und umfasste sechs Personen (3 Vertreter und 3 Stellvertreter). Der erste Vorstand mit Zuordnung von bestimmten Funktionen wie Balleimeister, Geistlicher Assistent, Balleikanzler, Balleikämmerer sowie Balleiräte erfolgte für die Funktionsperiode 1976 bis 1979 (gewählt am 21.03.1976; Personalstand 1977, Stand 31.01.1977 und Personalstand 1978, Stand 18.02.1978 und Personalstand 1979, Stand 16.02.1979). Entsprechend den Regeln und Statuten des Deutschen Ordens wird alle drei Jahre die Leitung der Ballei neu gewählt.
Die Familiaren binden sich durch ein Versprechen an den Orden und werden durch eine kirchliche Investitur in das Familiaren-Institut, das dem Orden als 3. Zweig neben den Brüdern und Schwestern angegliedert ist, aufgenommen. Bei der Investitur erhält der Familiare als geistliche Zeichen das Halskreuz des Ordens und den mit dem Ordensschild gezierten schwarzen Mantel.
Voraussetzung für die Aufnahme als Familiare ist, dass diese ihr Leben nach der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehr gestalten. Sie stehen in unbedingter Treue und gehorsam zum Papst, zur Kirche und zum Ordensoberen. Sie müssen bereit sein ihren katholischen Glauben zu bekennen und zu verbreiten. Sie betätigen sich in der christlichen Nächstenliebe und kämpfen gegen den Verfall von Moral und Sitten. Sie sind bestrebt an den Ordenswerken ihren Beitrag zu leisten und mitzuwirken. Eine Grundvoraussetzung ist außerdem Unbescholtenheit.
Die Familiaren pflegen die Tradition des Deutschen Ordens und fördern die Werke des Ordens.
Beispielhaft werden angeführt:
Unterstützung bei der Führung von Krankenanstalten, Alters- und Pflegeheimen, Schulen und Ausbildungsstätten.
Betreuung von Ordensprojekten wie Errichtung, Renovierung und Umbau von Objekten sowie Einrichtungen des Ordens.
Organisation von selbständigen Hilfsprojekten in unterschiedlichen sozial-karitativen Bereichen.
Förderung von Spendenaktionen zur Finanzierung von Ordensaktivitäten, z.B. Reaktivierungs- und Restaurierungsmaßnahmen in den Balleien Slowenien und Tschechien.
Finanzielle Unterstützung der Klerikerausbildung des Ordens.
Der Deutsche Orden in Wien
Februar 2017
Nachdem die Hospitalbruderschaft der „Brüder vom Deutschen Haus St. Mariens in Jerusalem“ (kurz: Deutscher Orden) im Zuge der Kreuzzugsbewegung 1190 im Heiligen Land entstanden und 1198/99 auch zum geistlichen Ritterorden geworden war, erfreute sie sich einer raschen Ausbreitung.
Auch im heutigen Österreich konnte die Gemeinschaft rasch ansässig werden. Bereits 1204-1206 schenkten der damaligen Landesherr Leopold VI. aus dem Hause Babenberg und Bischof Wolfger von Passau, zu dessen Diözese Wien (das erst 1469 ein eigenes Bistum wurde) gehörte, das hiesige Areal Singerstraße. Die damaligen Gebäude lassen sich nur schwer historisch nachzeichnen. Sicher ist aber, dass Gebäude und Kirche bei den großen Stadtbränden 1258 und 1269 schwerste Schäden davontrugen, die den Neubau der Kirche erforderten. Dieses im gotischen Stil errichtete Gotteshaus konnte dann im Dezember 1395 geweiht werden. Kirchenpatronin wurde die Heilige Elisabeth von Thüringen, an deren Kanonisation 1235 der Deutsche Orden maßgeblich beteiligt war. Neben dem Heiligen Georg, als Symbol für den Glaubenskampf, steht die Heilige Elisabeth für den unermüdlich und selbstlosen Einsatz für die Armen, Kranken und an den Rand Gedrängte, die gelebte Caritas.
Der Gebäudekomplex, der dem Landkomtur der Ballei Österreich als Residenz diente, hat wohl die erste Türkenbelagerung Wiens 1529 recht unbeschadet überstanden, wurde aber mit den Jahren immer baufälliger. Unter Landkomtur Georg Gottfried Freiherr von Lambach errichtete man das Gebäude unter Beauftragung eines italienischen Baumeisters weitgehend neu und integrierte die Kirche in die Straßenfront. Einige Jahrzehnte später wurden unter Landkomtur Guidobald Graf von Starhemberg nochmals barockisierende architektonische Veränderungen vorgenommen, die Kirche und Gebäude bis heute prägen.
Allerdings wurden bei den Baumaßnahmen die gotischen Elemente der Kirche nicht völlig beseitigt. Nach deren 1864 erfolgter Regotisierung unter Landkomtur Eugen Graf von Haugwitz entstand so eine äußerst ansprechende gotische Kirche mit lebendigen barocken Elementen. Die Realisierung einer umfangreichen neogotischen Adaptierung der Fassade im Zusammenhang mit einem völligen Umbau des Komplexes scheiterte schließlich in den 1890er Jahren. Beim Betreten der Elisabethkirche fallen neben den Epitaphen vor allem drei Elemente ins Auge: Vielleicht als erstes die Wappenschilde, so genannte „Aufschwörschilde“, die bei der Aufnahme von Deutschordensrittern Verwendung fanden. Wenn man den Blick dann in den Altarraum richtet, fällt er auf einen herrlichen gotischen Schnitzaltar. Dieser 1520 vom Künstler Jan von Mecheln für die Trägerzunft an der Marienkirche in Danzig gefertigte Flügelaltar mit Szenen aus der Passion Christi gelangte 1864 an seinen heutigen Standort. Unmittelbar darüber befindet sich ein von Tobias Pock 1667 geschaffenes Werk, welches die Krönung der Heiligen Elisabeth von Thüringen, der Schutzpatronin des Deutschen Ordens durch das auf dem Schoß der Gottesmutter, der Schutzfrau des Ordens, stehende Jesuskind unter Assistenz des Heiligen Georg und der Heilige Helena (als Bezug zum Heiligen Land und der Kreuzesspiritualität) darstellt. Gottvater und der Heilige Geist schweben segnend über dem Geschehen. Tobias Pock hat eine Reihe Altarbildern geschaffen, so auch das des nahe gelegenen Stephansdomes.
Unter Landkomtur Carl Borromäus Graf Colloredo-Waldsee entstand in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die (heute hauptsächlich für Konzerte genutzte) „Sala Terrena“ mit ihren sehr ansprechenden Grotesken, bacchantische Sinnesfreuden darstellend. Man geht davon aus, dass es sich bei der diesem Raum zugrundeliegenden Bausubstanz um den baugeschichtlich ältesten Teil des Gebäudes handelt, bei Renovierung konnten gotische Freskenreste nachgewiesen werden. Unter obigem Landkomtur lebte und musizierte auch Wolfgang Amadeus Mozart für einige Wochen im Deutschen Haus.
Seit 1809, als Napoleon den Orden in den Rheinbundstaaten aufhob und er nur mehr in den Ländern der Habsburgermonarchie bestand, wurde das Gebäude Singerstraße Sitz des Hochmeisters. Der Hochmeister, seit 1923 ein Priester, ist der Generalobere der Brüder und Schwestern des Deutschen Ordens und seit 1966 auch der Familiaren.
Das Priorat der österreichischen Brüderprovinz, die als einzige Priesterprovinz noch die alte Bezeichnung Ballei führt, hat ebenfalls seinen Sitz in diesem Gebäudekomplex, wenngleich die Brüder in ihren Pfarren leben. Mit Ausnahme der Pfarrei Schottenfeld, die der Orden erst nach dem 2. Weltkrieg übernahm, wirken die Brüder in Pfarren, die der Orden seit Jahrhunderten betreut: Gumpoldskirchen (1241), Palterndorf (1290) und Spannberg (1391). In diesen Pfarren versucht der Orden heute seiner Spiritualität gerecht zu werden, mit und für die Menschen zu leben. Bis zum Ende der Donaumonarchie und der in der Folge des Ersten Weltkrieges stattfindenden Neuordnung Europas gehörten auch Kommenden und Pfarren in der Südsteiermark und Weißkrain im heutigen Slowenien, wie etwa Laibach oder Großsonntag, zur Ballei Österreich und unterstanden dem Wiener Landkomtur.
Das „Deutsche Haus“ beherbergt noch zwei weitere, ganz besondere Kleinodien. Zum einen die Schatzkammer, die in den vergangenen Jahren renoviert und neu konzipiert wurde. Sie kann mit ihren wertvollen Exponaten einen kleinen Einblick vermitteln in die Vergangenheit und Bedeutung dieses alterwürdigen kirchlichen Institutes. Zum anderen das Deutschordens-Zentralarchiv, das mit seinen prall gefüllten Regalen und Schubkästen so etwas wie das Gedächtnis des Ordens bildet. Das Archiv verfügt, neben anderen Archivalien, über rund 12.000 Urkunden aus 800 Jahren, sowie ca.1000 Handschriften und eine etwa gleich hohe Zahl von herrlich illustrierten Ahnenproben.