Bei seiner Investitur gibt der Familiare folgendes Versprechen ab:
"Ich verspreche Ihnen, hochwürdigster Herr Hochmeister, als Familiare den Orden der Brüder vom Deutschen Haus St. Mariens in Jerusalem durch Gebet, persönlichen Einsatz und tatkräftige Hilfe zu unterstützen und verpflichte mich zur Einhaltung der im Familiarenstatut festgelegten Ordnung."
Was legt das Familiarenstatut fest?
Das Familiarenstatut schreibt u. a. vor, dass „der Einsatz des Deutschen Ordens für Christi Reich nicht mehr der zeitgebundene Kampf mit dem Schwert, sondern gemäß der gesunden Überlieferung des Ordens der Kampf in der geistigen Auseinandersetzung, der Schutz der Wehrlosen und die Seelsorge am Menschen" ist (FamD 1). Sie „sind Laien oder Kleriker, die die Werke des Ordens mittragen, seine Unternehmungen fördern und seine Ideale zu verwirklichen trachten. Sie unterstützen die Brüder und Schwestern durch Gebet, ihre Mitarbeit und ihren Einsatz für den Orden im öffentlichen Leben. Sie sind berufen, die weltliche Ordnung mit christlichem Geist zu beleben." (FamD 4) Das sechste Kapitel der FamD beschreibt die Rechte und Pflichten der Familiaren. Wichtigstes Recht ist, dass sie aller Verdienste und Fürbitten des Ordens teilhaftig werden. Die Gebets- und Teilnahmeverpflichtungen sowie den Verpflichtungen von finanziellen Leistungen sind klar. Ausfüllungsfähig und -bedürftig sind dagegen die in FamD 73 und 74 genannten Pflichten. Sie lauten: "Die Familiaren tragen die Traditionen des Ordens mit und wissen sich seiner Einheit verpflichtet. Sie verfolgen seine Ziele und Aufgaben: die Treue zur katholischen Kirche und den Dienst christlicher Nächstenliebe, das mutige Bekenntnis und die Verbreitung des Glaubens sowie die christliche Gestaltung des privaten und öffentlichen Lebens." Dazu kommt in FamD 74: Sie unterstützen den Orden in seiner karitativen Tätigkeit, in der Pflege der Kranken, der Alten, der Armen und Hilfsbedürftigen in den sich wandelnden Formen der sozialen Fürsorge, in Werken der religiösen Erziehung der Kinder, der Jugend- und der Erwachsenenbildung, in der kulturellen und wissenschaftlichen Arbeit."
Dies also sind die kirchenrechtlichen Grundlagen, die den Familiaren direkt betreffen und nach denen er sein Wirken auszurichten hat. In welchem Geist, mit welcher Intensität, mit welchem Grundverständnis jeder Einzelne jedoch seine Familiarenexistenz ausfüllt, ist in der täglichen Realität sehr unterschiedlich. Da tun sich viele Fragen auf:
Was ist eigentlich ein Familiare?
Wie sind die Familiaren der Einheit mit den Brüdern und Schwestern verpflichtet?
In welcher Weise tragen sie die Traditionen des Ordens mit? Welcher Traditionen?
Worin drückt sich der Dienst christlicher Nächstenliebe aus? In einer Überweisung?
Wann erlebt man das mutige Bekenntnis des Glaubens? Wer setzt sich für die christliche Gestaltung des öffentlichen Lebens ein?
Welche anderen Formen der Unterstützung des Ordens außer der finanziellen werden denn wirklich geleistet?
Die Familiaren nennen sich gegenseitig Confrater bzw. Consoror. Wie viel Brüderlichkeit und Geschwisterlichkeit herrscht in den Komtureien?
Das Familiarenstatut gibt die kirchenrechtlichen Regeln vor. Die Grundlagen für das tägliche Leben und vor allem das Miteinander unter den Confratres und mit den Brüdern und Schwestern lassen sich damit nicht fassen. Es könnte sinnvoll sein, dafür eine schriftliche, für alle Familiaren verbindliche Richtschnur zu haben. Die folgenden Ausführungen sind als erste Gedanken für eine solche Richtschnur gedacht.
Was sind Familiaren? „Herren" - über sich selbst?
Sucht man eine Definition des Begriffs „Familiare", dann findet man sehr verschiedene. Diese geht vom Gesinde eines Klosters über Minderbrüder bis zu sehr hochgestellten Persönlichkeiten, die Teil der „familia", also des Hofstaates, und damit Vertraute eines Herrschers waren. Heute gibt es bei geistlichen Orden Familiaren, von denen der Zisterzienserinnen von Seligenthal bis zu denen der Österreichischen Augustiner-Chorherren oder des Mercedarier-Ordens. Der Familiare des Deutschen Ordens ist als Mitglied im Familiareninstitut dem Deutschen Orden adskribiert, also angegliedert. Zwar sind die Familiaren kirchenrechtlich nicht Teil des Ordens (also nicht der dritte Zweig), „geistlicherweise" aber wohl, und verpflichtet, die Traditionen des Ordens mitzutragen. Der Deutsche Orden zählt traditionell zu den Ritterorden. Das ritterliche Element der Laien im Orden ist für die mitzutragenden Traditionen ganz wesentlich. Auch wenn der Familiare bisher auch nach außen nur Familiare heißt, so drückt dieser Begriff ausschließlich die Verbindung zum Oberhaupt, dem Hochmeister aus. Der Begriff beschreibt nur das Innenverhältnis. Nach außen ist der Familiare den früheren Deutschherren, also dem ritterlichen Element, am nächsten. Auch wenn die Deutschherren adlige Professritter waren. Die Familiaren entsprechen in ihrem Status und ihren Aufgaben heute am ehesten den Magistralrittern des Malteserordens, den Ehren-/Rechtsrittern des Johanniterordens und den Grabesrittern. „Ritter" im althergebrachten Sinne sind sie alle nicht. Dennoch kann man sich durchaus bei der Suche nach erstrebenswerten Eigenschaften daran halten, was seit dem Mittelalter von Rittern gefordert wurde. Neben den von griechischen Philosophen durchdachten Kardinaltugenden sind dies vor allem auch die ritterlichen Tugenden, die durchaus auch noch heute, auf unsere Zeit übertragen, Geltung haben. Der Familiare soll sich ritterlich verhalten, übersetzt für unsere Zeit, ein „Herr" sein. Dies natürlich nicht als Gegenpol zum Knecht, den der Herr „beherrscht", sondern als der, der sich selbst beherrscht. Die Anforderungen an die weiblichen Mitglieder des Familiareninstituts können selbstverständlich nicht anders sein als diejenigen, die an die „Herren" gestellt werden sollten. Daher gilt alles, was im Folgenden zu den „Herren" gesagt wird, der Einfachheit halber auch für die Familiarinnen.
Welches sind die Anforderungen, die an einen Herrn zu stellen sind?
Das Menschenbild des Herrn wird durch die innere Haltung, durch einen bestimmten Lebensstil und durch den persönlichen Umgang mit anderen Menschen realisiert. Es hat also nichts mit einer bestimmten Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse oder einem Stand zu tun.
Die innere Haltung
Seit alters her haben sich die größten Geister darüber Gedanken gemacht, welche Eigenschaften ein Mensch haben bzw. anstreben sollte. Nach Aristoteles ist die Eudaimonia das höchste Gut und Endziel menschlichen Handelns. Man hat es mit „Glückseligkeit" als Ziel des Lebens übersetzt, nicht im Sinne des subjektiven Glücks, sondern eines geglückten Lebens. Die Sinnerfüllung menschlichen Lebens und Daseins liegt nach dieser Lehre im Glück des Einzelnen oder der Gemeinschaft. Diese ist nur, gemäß der nikomachischen Ethik des Aristoteles, durch tugendhaften Lebenswandel erreichbar. Dieser wird bestimmt durch die täglichen, von einer bestimmten Absicht ausgeführten Handlungen. Was nun tugendhaft ist, ist zwar streitig, aber über die vier klassischen Grund- oder Kardinaltugenden, welche die innere Haltung des Menschen, für uns also des Herrn bestimmen sollte, besteht grundsätzlich Einigkeit. Diese sind:
Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung
Die Weisheit, die auch zu den sieben Gaben des Heiligen Geistes gezählt wird, ist eine reifungsbedingt erwerbbare oder als göttlich verliehen gedachte außergewöhnliche Fähigkeit. Sie ist geprägt durch eine ungewöhnlich tiefe Einsicht in das Wirkungsgefüge von Natur, Leben und Gesellschaft, besonderes Wissen, eine herausragende ethische-moralische Grundhaltung und das damit verbundene Handlungsvermögen. Die Weisheit zeugt von außergewöhnlicher geistiger Beweglichkeit und Unabhängigkeit.
Der Hl. Augustinus definiert die Weisheit so:
„Denn Weisheit ist letztlich nichts anderes als das Maß unseres Geistes, wodurch dieser im Gleichgewicht gehalten wird, damit er weder ins Übermaß ausschweife noch in die Unzulänglichkeit falle. Verschwendung, Machtgier, Hochmut und ähnliches, womit ungefestigte und hilflose Menschen glauben, sich Lust und Macht verschaffen zu können, lassen ihn maßlos aufblähen. Habgier, Furcht, Trauer, Neid und anderes, was ins Unglück führt - wie die Unglücklichen selbst gestehen - engen ihn ein. Hat der Geist jedoch Weisheit gefunden, hält dann den Blick fest auf sie gerichtet, dann brauchte er weder Unmaß, noch Mangel noch Unglück zu fürchten. Dann hat er sein Maß, nämlich die Weisheit, und ist immer glücklich."
Damit kann man mit Aristoteles sagen, dass die Weisheit die Tugend schlechthin ist. Denn für Aristoteles besteht Tugend darin, von zwei Extremen die Mitte zu treffen, wie dies auch Augustinus ausführt. So ist die Weisheit genau die Tugend, die den Menschen befähigt, die Mitte zu treffen.
Für den „Herrn" müssen Recht und Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Liebe grundlegende Tugenden und Maßstäbe sein.
Gerechtigkeit
Die Gerechtigkeit ist nicht nur eine die innere Haltung des Herrn prägende Tugend. Sie ist darüber hinaus immer in der Beziehung auf andere zu denken. Als normativer Begriff bedeutet dies die Aufforderung an jeden einzelnen, ungerechte Zustände in gerechte umzuwandeln. So hat jeder, der gerecht sein will, die Pflicht gegenüber sich selbst und den Anderen, so zu handeln. Jeder trägt einen Teil der Verantwortung dafür, dass gerechte Verhältnisse hergestellt werden. Was aber ist Gerechtigkeit? Der ideale Zustand des gesellschaftlichen Miteinanders, in dem es einen angemessenen, unparteilichen und einforderbaren Ausgleich der Interessen und der Verteilung von Gütern und Chancen zwischen den beteiligten Personen und Gruppen gibt. Zur Erreichung dieses Ziels und damit für die entsprechende Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens werden entsprechende Handlungs- und Rechtsnormen aufgestellt. Je nach eingenommener Perspektive und sozialem Zusammenhang wird seit Jahrtausenden darüber gestritten, was nun gerecht sei, und das wird sicher so bleiben. Dennoch ist jeder Familiare und „Herr" gefordert, im Blick vor allem auf die Armen und Schwachen das Seine beizutragen, um größere Gerechtigkeit herbeizuführen. Das lässt sich nicht durch Almosen, sondern nur durch Taten bewirken. Das mutige Auftreten als katholischer Christ und informierter Familiare ist gefordert, um in Politik, Justiz, Schulen, Altenheimen, bei Banken und in Unternehmen, beim Militär, bei Gesundheitsvorsorge, bei Renten und überall dort, wo wir Ungerechtigkeiten erkennen, unseren Teil zur Gerechtigkeit beizutragen. So knüpft der Familiare auch hier an die Inspirationen des Ordens-Ursprungs an und erfüllt die Forderungen an die echte Ritterschaft: den Einsatz für Christi Reich, den Schutz der Wehrlosen, die Hilfe für den Misshandelten, Bedrängten, Verachteten und Notleidenden. Dies ist die eigentliche Haltung des ritterlichen Menschen, des Familiaren, der damit die Traditionen des Ordens gemäß den Regeln (FamD 73) mitträgt.
Barmherzigkeit
Gemäß BR 4 ist es „das Ideal des Ordens, den hilfsbedürftigen Menschen um Christi willen in selbstloser Liebe zu dienen", und zwar „als Antwort auf einen Anruf Gottes an Menschen, die bereit sind, in der Nachfolge Christi auf konkrete Notlagen in Kirche und Welt eine Antwort zu geben." Damit hat sich der Orden zur Aufgabe gemacht, die von Gott erfahrene Barmherzigkeit am hilfsbedürftigen Menschen zu üben. In den auf biblischer Grundlage im Christentum beispielhaft aufgezählten sieben geistlichen und sieben leiblichen Werken der Barmherzigkeit äußert sich das höchste Gebot, nämlich die Nächstenliebe. So kann der Familiare es nicht dabei bewenden lassen, jährlich einen gewissen Geldbetrag zu überweisen, sondern er ist gefordert, selbst in seinem täglichen Leben und in der Gemeinschaft der Familiaren Barmherzigkeit zu üben. Dazu bieten sich die Werke des Deutschen Ordens an. Besteht dafür keine Möglichkeit, weil z. B. im Raum der Komturei keine derartigen Werke vorhanden sind, soll die Komturei bzw. auch der einzelne Familiare Aufgaben suchen, in denen er der Pflicht zur Übung von Barmherzigkeit nachkommen kann. Das ist Herrenpflicht.
Tapferkeit
Der „Herr" gibt sich nicht den heute leider modisch gewordenen Ängsten hin, sondern stellt sich jederzeit. Das Gegenstück zur Angst ist die Tapferkeit. Der tapfere Mensch tritt für Freiheit und Recht als Belange des Gemeinwohls ein, wenn es das Gewissen auf der Grundlage besonderer Sachkenntnis erfordert. Dazu gehören Mut und eine gewisse „innere Freiheit", insbesondere wenn damit persönliche Nachteile in Kauf genommen werden müssen. Sie ordnet die Erregungen des Gemüts und der Angst nach dem Urteil der Vernunft und hilft damit, die Angst zu überwinden. Bereits um 800 v. Chr. war in Griechenland die Tapferkeit, nämlich die „vortreffliche Leistung im Kampf", als soldatische Tüchtigkeit und Leistung im Kriege auf die Selbstvervollkommnung des einzelnen und damit auf seine Ehre und seinen persönlichen Ruhm ausgerichtet war. Die Tapferkeit, wie wir sie heute verstehen, wurde als Tugendbegriff etwa 400 v. Chr. von Sokrates begründet. Danach diente der tapfere Kampf nicht mehr der persönlichen Absicht, als ein „Held" dazustehen, sondern letztlich dem Gemeinwohl. Diente sie doch dem Schutz der damals neuen demokratischen Stadtstaaten gegen Tyrannei von außen. Die Tapferkeit wurde damit zur Bürgertugend zur Verwirklichung des Guten im Gemeinwesen.
Wie oben gesagt, ist das Maß allen menschlichen Tuns die Weisheit, die den Menschen befähigt, die Mitte zwischen den Extremen zu treffen. Genauso gilt, dass die Tapferkeit eine an Klugheit und Gerechtigkeit gebundene Tugend ist. Überschreitet der Mensch bei seinem Handeln diese Grenzen, handelt er aus Angst gar nicht, oder die Tapferkeit artet in Tollkühnheit oder Verwegenheit aus. Clausewitz schreibt in seinem berühmten Standardwerk „Vom Kriege", dass Information bzw. „Informiertheit" eine ganz wesentliche Voraussetzung für tapferes Handeln ist. Nur dann kann man die Folgen seines Handelns abschätzen und die Frage, ob und wie gehandelt werden muss, beantworten. Somit ordnet die Tapferkeit die Erregung des Gemüts und der Angst nach dem Urteil der Vernunft und hilft damit, die Angst zu überwinden. Sinn der Tapferkeit ist also die Verfolgung eines guten Zwecks, der stets an Vernunft gebunden sein muss. Wenn wir heute in unserer zivileren Zeit eher von Zivilcourage als von Tapferkeit reden, so bedeutet dies: entschlossenes und mutiges Handeln unter vernünftiger Abwägung der Folgen.
Die Konsequenz für den Familiaren ist: Wenn es also vorkommt, dass Familiaren ihre „Tapferkeit" zur Schau stellen („da habe ich dem Hochmeister aber meine Meinung gesagt..."), dann ist es meist gar kein Mut, der sie handeln lässt, weil es dessen gar nicht bedarf. Oder es fehlt oft die Vernunft, so dass sich die Tapferkeit in Tollkühnheit oder Verrücktheit verkehrt. Genauso wenig ist es ein Zeichen von Tapferkeit, wenn man sich, wie früher mit dem Ritterkreuz, mit Titeln, Ämtern und äußeren Zeichen von (scheinbar) Macht und Einfluss schmücken lässt. Es ist ganz einfach Eitelkeit und gewiss nicht Zeichen von Weisheit und innerer Freiheit.
Auch beim „Gegen-den-Strom-Schwimmen" ist Vorsicht am Platze. Auch hier gilt, dass es dafür häufig keines Mutes bedarf und man schnell als tapfer gilt, ohne dass man irgendein Risiko eingeht.
Tapferkeit ist jedoch tatsächlich geboten, wenn wir uns als christliche „Herren" in der Öffentlichkeit für unseren Glauben, unsere Kirche und unseren Papst einsetzen. Uns allen ist bekannt, wie oft wir nichts gesagt haben, wenn es dringend geboten gewesen wäre. Wir hatten Angst, uns zu blamieren, als Gestrige dazustehen usw. Wann haben wir „nein" gesagt, obwohl die Mehrheit, die Umstände, die Sachzwänge oder andere Gründe dagegen gestanden haben? Wenn wir den Mut aufgebracht haben, uns zu Wort zu melden, gegen scheinbare Wahrheiten vorzugehen und Vorurteile zu bekämpfen, waren wir tapfer. Jeder von uns kann in sich gehen und prüfen, wie oft das geschehen ist. Wir alle wissen, dass wir noch viel Nachholbedarf haben, weil wir uns nicht genug informiert fühlen, glauben, die anderen seien uns rhetorisch überlegen oder wir würden uns aus anderem Grunde blamieren. Unsere Komturei mit vielen qualifizierten Männern und Frauen kann und sollte ein Ort sein, an dem wir uns das Rüstzeug und auch den Rückhalt holen, um daraus den Mut zu schöpfen, den es braucht, das Leben tapfer zu meistern. Statt, wie so häufig, über Lappalien zu streiten, sollte dies in den Conveniats geschehen.
Weisheit und Maßhalten werden durch Herrschaft über sich selbst realisiert. Die „Herr"schaft des „Herrn" beginnt also nicht bei der Macht über andere, sondern bei der Macht über sich selbst. Nur wer sich selbst beherrschen kann, ist sittlich qualifiziert, ein „Herr" zu sein. Das sittliche Ich des „Herrn" muss auch über sein eigenes begehrendes Ich herrschen.
Der „Herr" zeigt Mut zu Vorbild und Beispiel. Er weiß sich für das Ganze verantwortlich und ist deshalb unaufgefordert bereit, Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen. Dazu gehört auch der Mut zum Bekenntnis, eine der wesentlichen Pflichten des Familiaren. Die Bereitschaft, für Christus Zeugnis abzulegen, ist Auftrag an jeden Christen. Der Familiare macht durch seine Ordenszugehörigkeit „öffentlich", dass er ein katholischer Christ ist und dafür einsteht. Im Investiturgebet heißt es: "Herr Jesus Christus, gib mir die Kraft, stets vor der Welt ein würdiger Zeuge Deines namens zu sein." Wie oft halten wir uns zurück, wo ein klares und bestimmtes Wort geboten wäre. Mut ist gefordert.
Wie oben gesehen, ist die Informiertheit eine wichtige Voraussetzung für wirkliche Tapferkeit. Deshalb muss der tapfere Mensch alles ihm Mögliche tun, um vorurteilsfrei informiert zu sein. Dazu gehört, heutzutage mehr denn je, weltoffen zu sein, auch eigene Standpunkte zugunsten der besseren Kenntnis aufgeben zu können, und immer bereit zu neuen Einsichten mit Blick für das Ganze zu sein.
Je länger man diese Kardinaltugenden anstrebt, umso mehr merkt man, dass man Abstand bekommt von den Kleinigkeiten des Alltags. Man regt sich nicht über unwesentliche Dinge auf und gewinnt Gelassenheit und eine innere Souveränität. Mehr und mehr steht man über den Dingen und ruht in sich. Man gewinnt sichere Standpunkte und ist weder persönlich gekränkt noch fühlt man sich in die Ecke gedrängt, wenn jemand eine andere Meinung vertritt. Man gewinnt die Fähigkeit, Irrtümer und Fehler zuzugeben, eine sehr seltene Eigenschaft in der heutigen Zeit. Die schrittweise Vervollkommnung, so klein die Schritte auch sein mögen, verhelfen einem immer mehr, Mut zu Vorbild und Beispiel zeigen zu können. Man traut sich zu und betrachtet es als seine Pflicht, sich für das Ganze verantwortlich zu wissen und dann auch unaufgefordert bereit zu sein, Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen.
Treue
Im Verhältnis des Herrn zu seiner Umwelt, sei es zu einer einzelnen Person, einer Personenmehrheit oder auch einer Sache, kann man sich auf ihn verlassen. Diese Verlässlichkeit beruht auf Vertrauen und Loyalität. Solange das Objekt selbst der Verlässlichkeit würdig ist, ist der Herr also treu.
Vertrauen beschreibt die Erwartung an Bezugspersonen oder Organisationen, dass deren künftige Handlungen sich im Rahmen von gemeinsamen Werten oder moralischen Vorstellungen bewegen werden. Vertrauen wird durch Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Authentizität begründet, wirkt sich in der Gegenwart aus, ist aber auf künftige Ereignisse gerichtet. Vertrauen ist eine riskante Vorleistung (so der Gesellschaftstheoretiker Niklas Luhmann), weil dort, wo aus unterschiedlichen Gründen die Informationen nicht abgewogen werden können, das Vertrauen zu einer auf Intuition gestützten Entscheidung befähigt. Der Entscheider vertraut dann darauf, dass der andere das Potential seiner Handlungsmöglichkeiten im Sinne seiner bisher dargestellten Persönlichkeit einsetzen wird. Vertrauenswürdig ist, wer bei dem bleibt, was er bewusst oder unbewusst über sich selbst sichtbar gemacht hat.
Als loyal wird jemand bezeichnet, der eine innere Verbundenheit zu Personen oder einer Gemeinschaft hat. Er teilt die Werte des/der anderen und vertritt sie, auch dann, wenn man diese nicht vollumfänglich teilt. Die Loyalität zeigt man nicht nur gegenüber dem Anderen, sondern auch gegenüber Dritten.
Für ihn gilt die Treue nicht nur in der Beziehung zu Einzelnen wie dem Ehepartner oder auch dem Freund, sondern auch zu sich selbst. Er schwankt nicht wie ein Rohr im Winde, sondern steht zu seinen Grundsätzen, seinen Überzeugungen und auch zu seiner Vergangenheit und seinen Handlungen. Er redet sich nicht raus, wenn er einen Fehler gemacht hat. Er ist in der Lage, diesen zuzugeben und auch, um Vergebung zu bitten. Umgekehrt konstituiert die Treue des Einzelnen auch die Erwartung der Treue durch die Personenmehrheit. Der treue Familiare kann erwarten, dass der Orden auch ihm treu ist. Wird diese Erwartung enttäuscht, kann es zu einer äußerlichen oder auch nur innerlichen Kündigung des Treueverhältnisses kommen. Bei der inneren Kündigung ist es die (sehr schwere) Aufgabe, das Gefühl der Verlässlichkeit wiederherzustellen, um das Treueverhältnis wieder wachsen zu lassen.
Als Konsequenz für den Familiaren ergibt sich daraus, dass er die gleiche Treue, die er von seinen Confratres erwartet, auch selbst leistet. Er wirft also nicht gleich hin und bittet um Entlassung, wenn ein Confrater oder die Gemeinschaft oder der Hochmeister sich nicht so verhalten, wie er es erwartet. Er bleibt treu und bemüht sich, die Unstimmigkeiten intern zu klären. Die benediktinische Ordensregel spricht in dieser Beziehung von der Beständigkeit (stabilitas), die durchaus der ritterlichen Tugend der „staete" entspricht. Durch diese Berechenbarkeit, die auch mit Durchhalten und verbunden ist, wachsen man selbst und die Gemeinschaft aufeinander zu und beide gewinnen Stabilität.
Die Treue gebietet es, auch nach außen loyal zu sein, also nicht über den Orden oder einzelne Personen im Orden zu schimpfen. Das ist ein schwerwiegender Verstoß gegen die Treuepflicht.
Zwei der Elemente des ritterlichen Lebensideals war der „hohe muot", was mit seelischer Hochgestimmtheit (nicht Hochmut), und die „froide", was mit heiterer Lebenseinstellung übersetzt werden kann. Diese Grundeinstellungen zum Leben sollten für den Familiaren die Haltung auch zum Orden und zu seinen Confratres/Consorores bestimmen. Kleinliche Kritik, die überall nur die Fehler, die Versäumnisse, die Unzulässigkeiten sieht, eine grundsätzlich negative Erwartung an alle und alles im Orden sind destruktiv und widersprechen dem „Geist, der lebendig macht". Es geht also um den „Geist, der lebendig macht". Auch der Familiare sollte das Feuer des Heiligen Geistes in sich spüren und mit Begeisterung die Flamme weitertragen. Nur mit Begeisterung und positiver Haltung erreichen wir die gesteckten Ziele. Wenn die ritterliche Tugend der „milte" nicht eng mit materieller „Freigiebigkeit", sondern auch mit „Milde" im Sinn von Verständnis für die Fehler anderer übersetzen, dann ist auch diese Rittertugend für den Familiaren als „Herren" durchaus von großer Bedeutung. Die Großzügigkeit (magnanimitas) der nikomachischen Ethik des Aristoteles meint das Gleiche: vergeben können, nicht nachtragend sein.
Können wir Familiaren es als Ehre betrachten, Mitglied im Deutschen Orden zu sein?
Ehre ist etwas Äußerliches. In diesem Falle würde es sich um die Wertschätzung, die uns in unserer Eigenschaft als Familiaren entgegengebracht würde, handeln. Grundsätzlich bewirken Mantel und Halskreuz überhaupt nichts. Die vielen Pseudo-Orden, die Mantel und Halskreuz noch mit Ritterschlag etc. „würzen", zeigen dies sehr deutlich. Entscheidend ist ausschließlich, ob die Gemeinschaft der Familiaren eine Wertschätzung verdient. Alle Äußerlichkeiten haben mit der Wertschätzung nichts zu tun. Taten und der dahinterstehende Geist, das „Charisma" des Deutschen Ordens, sind allein maßgeblich. Darüber hinaus geht es natürlich darum, dass der Einzelne nicht nur Mitglied ist, sondern tatkräftig mitwirkt an den Aufgaben der Familiaren. Nur dann ist er einer Wertschätzung würdig und nur dann kann ihm Ehrerbietung zuteilwerden. Und zwar nicht so sehr für die Verdienste der Vergangenheit, die man sich an den Hut steckt, sondern für die gegenwärtige Erfüllung seiner Pflichten.
Würde dagegen ist etwas Inneres. Es ist eine Haltung, die Besonnenheit, Gemessenheit, Absehen von eigenen Problemen und Nöten ausdrückt. Im Idealfall ist es die Haltung des weisen Menschen, der souverän über den Dingen steht und diese Haltung nach außen sichtbar macht. Wir sollten sowohl die innere Souveränität als auch die damit eng verbundene Würde anstreben.
Kann der Familiare nun stolz sein, dem Deutschen Orden anzugehören?
Stolz gilt in der katholischen Morallehre als eine der sieben Hauptlaster, ja, bei Thomas von Aquin gar als Wurzelsünde über den Hauptsünden. Die „superbia" ist für ihn ein „ungeordnetes Streben nach Herausragen". Das Gefühl einer großen Zufriedenheit mit sich selbst entspringt einer Gewissheit, etwas Besonderes, Anerkennenswertes oder Zukunftsträchtiges geleistet zu haben oder daran mitzuwirken. Gregor der Große hat den Stolz in vier Erscheinungsformen beschrieben. So schreibt der Stolze das Gute, das er besitzt, sich selbst zu, oder führt es zwar auf Gott zurück, schreibt es aber auf die Rechnung seiner eigenen Verdienste, oder legt sich Vorzüge bei, die er gar nicht besitzt, oder kehrt Vorzüge, die er besitzt, mit Selbstgefälligkeit und Verachtung anderer hervor. Jeder von uns kennt diesen Stolz, bei sich und bei anderen. Voraussetzung zur Überwindung dieser Haltung ist die Demut, welche die realistische Selbsteinschätzung des Menschen in der Welt bedeutet. Er erkennt seine eigene Geringfügigkeit im Vergleich zur Größe Gottes, aber zugleich auch seine Würde und seinen Wert als Geschöpf Gottes. Anders dagegen verhält es sich also mit der Selbstachtung, nämlich der Bewertung, die jemand von sich selbst hat aus dem Vergleich der subjektiven Fähigkeiten mit den Anforderungen, mit denen sich die Person konfrontiert sieht. Es ist wichtig, dass dieses Selbstvertrauen adäquat ist, die Fähigkeiten also den Anforderungen einigermaßen entsprechen. Ist dies nicht der Fall, unter- oder überschätzt man seine Leistungsmöglichkeiten. Wer sie unterschätzt, traut sich nicht viel zu und bleibt langfristig unter seinen Lebensmöglichkeiten. Ein zu hohes Selbstwertgefühl führt dagegen zu Überheblichkeit, also zu verderblichem Stolz. So ist das „gesunde Selbstwertgefühl", das sich möglichst bereits im Kindesalter durch positive Gefühle, Wertschätzung, Identifizierung mit wichtigen Bezugspersonen und einer Balance zwischen der Verbundenheit zu diesen und der erlebten Freiheit entwickelt hat, die Basis für einen sicheren Umgang mit der Umwelt, das auf folgenden sechs Säulen beruht: Bewusstes, eigenverantwortliches und zielgerichtetes Leben, Selbstannahme, selbstsicheres Behaupten der eigenen Person und persönliche Integrität.
Als Konsequenz für uns als Familiaren können wir daraus mitnehmen, dass wir als Christen zwar keinen Grund zu Stolz haben, sondern uns bemühen sollten, diese sechs Säulen weiterzuentwickeln. Wenn wir dies einzeln und gemeinsam in der Gemeinschaft tun, können wir ein solches gesundes Selbstwertgefühl entwickeln.
Wir sind zwar nur das, was in der Kirche immer noch diminutiv als Laien bezeichnet wird.
Erhobenen Hauptes können wir uns aber als das weltliche Element des Ordens betrachten, das mit ca. 800 Familiaren (Unternehmer, Juristen, Ärzte, Manager, Soldaten, Beamte etc.) Fähigkeiten, Erfahrungen und Potential einbringen und so den Unternehmungen des Ordens weit über das Geld hinaus von großem Nutzen sein kann. Dieser Reichtum an motivierten und oft hochqualifizierten Familiaren ist dann Grund für ein gutes Selbstwertgefühl - manche bezeichnen dies auch als gesunden Stolz -, wenn wir ihn aktiv für unsere Aufgaben nutzen.
Mantel und Halskreuz sind dann kein Ausdruck von Eitelkeit, sondern von Geborgenheit in der Gemeinschaft. Bei der Investitur wird den Familiaren der Mantel mit den verheißenden Worten umgelegt:" Nimm hin den Mantel des Deutschen Ordens, er sei Dir Schutz und Schirm." Der Orden und die Gemeinschaft der Familiaren sind dann bergender Raum der Gemeinsamkeit und Gemeinschaft innerhalb des katholischen Glaubens und der Kirche.
Großspuriges Auftreten kann dann nicht mehr vorkommen. Besserwisser werden sich sicher nicht mehr mit ihrem Wissen hervortun wollen. Heuchler und Frömmler, die möglichst immer mit gefalteten Händen und himmelwärts gerichteten Augen durch die Welt laufen, wird es dann im Orden nicht mehr geben. Überlegenheitsgefühl und Überheblichkeit aufgrund des geistlichen Standes („Ich bin schließlich Diakon...", „Monsignore", „Prälat") oder aufgrund von „Ehrentiteln" (Senator e. h., Konsul, Honorarprofessor, Dr. h. c. ...) gehören dann der Vergangenheit an. Aggressionen aufgrund eines Unterlegenheitsgefühls gegenüber „den Akademikern, den Geistlichen, den Juristen, den Architekten, Zahnärzten usw. ..." oder gegenüber denen „mit Geld" werden nicht mehr auftreten. Schon gar nicht ist der Familiare hinterhältig und verleumderisch. Genauso wird es keinen „Unterlegenen" mehr geben, der nachtragend ist („vor 25 Jahren hat er das oder jenes gesagt, das kann ich nicht auf mir sitzen lassen"), mimosenhaft und überempfindlich. Dann lässt ein Confrater den anderen, oder seinen Komtur, nicht mehr in die Falle laufen, sondern hilft ihm, nicht hineinzutappen.
Wenn wir uns also brüderlich und mit Begeisterung auf den Weg machen, im Geist des Dienens für den Deutschen Orden unsere Pflicht zu tun und uns bemühen, die genannten Tugenden bei uns und in unserer Gemeinschaft wachsen zu lassen, werden wir wirklich
CONFRATRES und HERREN, die getreu dem Ordensleitsatz
„HELFEN, WEHREN, HEILEN"
unseren Teil beitragen zur Erfüllung der Aufgabe des Ordens, in der Nachfolge Christi auf konkrete Notlagen in Kirche und Welt eine Antwort zu geben.